„HEINER, DU WARST EIN ECHTER FREUND”
Von Johanna Kremer
Heiner Rust gilt als einer der „herausragenden Sportfunktionäre in Deutschland“ - so hatte es die Hannoversche Allgemeine Zeitungim Oktober 2005 formuliert. Über 20 Jahre lang leitete Rust den BSN mit Leib und Seele und brachte ihn von einem anfänglich für Kriegsversehrte vorgesehenen vergleichsweise kleinen Verband auf mittlerweile 43 000 Mitglieder. Als Teil des Landessportbundes Niedersachsen genießt der BSN ein gutes Ansehen nicht zuletzt auch wegen des großen Engagements von Heiner Rust.
Am 13. Oktober 2005 wurde der 64-Jährige offiziell im Toto Lotto-Saal der Akademie des Sports verabschiedet. In diesem Zusammenhang hat er für uns einen von Marcel Proust entwickelten zeitlosen Fragenkatalog beantwortet. Bei der Abschiedsfeier haben wir dann auch einige der Gäste gebeten, ihre Eindrücke in der Zusammenarbeit mit Heiner Rust zu schildern.
Warum, glauben Sie, stehen Sie da, wo Sie heute stehen?
Zum einen haben meine Kinder mich immer behandelt, wie
Kinder eben einen Menschen behandeln: ohne besondere Rücksicht auf meine
Behinderung, aber lieb. Zum anderen habe ich insbesondere durch den
Behindertensport in der Gemeinschaft mit Gleichbetroffenen gelernt,
meine Behinderung anzunehmen und mit ihr im täglichen Leben mit
größtmöglicher Selbstverständlichkeit umzugehen.
Reinhold Bötzel, 29, Hochspringer im Team BEB: „Heiner
Rust hat alle Lagen sehr gut gemeistert. Er setzte sich - gerade auch
in brenzligen Situationen mit Sponsoren - grundsätzlich für die
Förderung des Leistungssports ein. Er hatte in seiner Funktion und als
Mensch immer ein offenes Ohr für alle.“
Die Übernahme ehrenamtlicher Verantwortung im damaligen Versehrten-Sportverband.
Heiner Bartling, Ex-Innenminister in Niedersachsen, Vorsitzender des Niedersächsischen Turnerbundes: „Ein Highlight in der Zusammenarbeit mit Heiner Rust war für mich die In-Szenesetzung der Wahl zum Behindertensportler des Jahres im GOP-Varieté.“
Welche Rolle spielten Zufall und Glück in Ihrer Karriere?
Ich denke, keine so große Rolle.
Nein, denn Heiner Rust ist ein Macher. Die Wünsche und Pläne der Vereine und der Sportler hat er umgesetzt und oftmals selber die Initiative ergriffen. Dabei blieb er als Präsident immer auch Mannschaftsspieler, was die Belange des BSN betrifft.
Friedrich Aldag, ehemaliger stellvertretender Bezirksvorsitzender und Vorsitzender der BSG Bückeburg: „Ich kenne Heiner vom Sitzballspielen. Er war vorne Schläger und noch dazu ein Herausragender. Wir haben uns nicht nur beim Sport gut verstanden, sondern auch oft zusammen gefeiert…“
Haben Sie Vorbilder?
Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren.
Der Vereinssport lebt von Ehrenamtlichen. Deshalb ist es auch
sehr wichtig, dass in Niedersachsen jedes Jahr besonders engagierte
ehrenamtliche Personen durch den Ministerpräsidenten prämiert werden.
Zum Abschluss seiner 21-jährigen Amtszeit als Präsident des BSN wurde
Heiner Rust am 1. Oktober 2005 mit der goldenen Ehrennadel des
Landessportbundes ausgezeichnet und als Vertreter der ersten Reihe
großer Niedersächsischer Sportführer gewürdigt.
Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Umbach, Präsident des LandesSportBundes Niedersachsen: „Durch
ihn wurde es eine Selbstverständlichkeit, dass Behinderte und
Nichtbehinderte zusammen Sport treiben. Im Landessportbund konnten die
beiden Sparten sich einander annähern. Er beherrschte es wie kein
anderer, die Synergien des Hauses zu nutzen. Fachkompetent, zielstrebig
und hartnäckig erreichte Heiner Rust, was für den BSN am besten war.“
Der Präsident des Sozialverbandes Deutschland in Niedersachsen,
Adolf Bauer, betonte die Brücke, die Rust zwischen beiden Verbänden
baute. Auch der Wandel im öffentlichen Bewusstsein vom Versehrten- zum
Behinderten-Sportverband sei maßgeblich das Verdienst von Heiner Rust.
Welche Charaktereigenschaften haben Ihnen beruflich bzw. im Ehrenamt geholfen?
Genauigkeit und Kompromissfähigkeit, bei Überzeugung Beharrlichkeit.
Seine Überzeugungskraft war wegweisend, wie Dr. Meinhard
Janssen von der BEB feststellte: „Was mir bei ihm imponiert: Wie er
Leute begeistern und mit Engagement überzeugen kann! So hat er uns auch
dazu bewegt, dass wir uns für den BSN einsetzen. Bei ihm springt der
Funke über. Das trifft übrigens auch für seine Frau zu. Man merkt bei
beiden das Herzblut, das darin steckt.“
Welche Charaktereigenschaften waren eher hinderlich?
Harmoniebedürfnis.
Andrea Holz vom Behinderten-Sportverband in Sachsen-Anhalt: „Heiner
Rust hat uns immer die Hand gereicht. Er ist ein Klasse Mensch, und die
Art wie er seinen Verband führte, war uns ein Vorbild. Ich schätze
seine ruhige und sachliche Art sowie seine strategische Kompetenz. Wir
in Sachsen-Anhalt haben ihm viel zu verdanken.“
Wie würden Sie Ihren Arbeitsstil beschreiben?
Ich strebe immer ein optimales Ergebnis an, das empfinden manche als pedantisch.
Reinhard Schneider, Präsident des Behindertensportverbandes Nordrhein-Westfalen: „Menschenfreund: Dieser Begriff fällt mir spontan zu Heiner Rust ein. Er hat sich immer als Diener für Menschen eingesetzt.“
Was war Ihr bisher größter Erfolg als Präsident im BSN?
Ich glaube, dass wir, Präsidium und Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der BSN-Geschäftsstelle, in gemeinsamer Anstrengung einen
modernen Verband geschaffen haben. Als besonderer Erfolg hat sich die
jährliche Wahl der Behindertensportlerin bzw. des Behindertensportlers
des Jahres erwiesen.
Dr. Rolf Stypmann, Geschäftsführer der Toto Lotto Niedersachsen GmbH: „Ich
habe selten einen so kompetenten Sportfunktionär erlebt. Als Sponsor
fühlten wir uns gut bei ihm aufgehoben. Nach der Wahl zum
Behindertensportler des Jahres ging gleich die Pressemitteilung raus,
und wir bekamen sofort eine Rückmeldung. Als Geschäftsmann konnte sich
Heiner Rust erfolgreich in die Lage der Sponsoren versetzen.
Ihr größter Fauxpas?
Diese Frage überfordert meine Fähigkeit zur Selbstkritik.
Dr. Max Näder, Senior-Chef Otto Bock HealthCare GmbH: „Heiner
Rust zeichnet sich aus vor allem durch die Leidenschaft für seine
Tätigkeit und die Beharrlichkeit, seine Ziele zu erreichen.“
Worauf achten Sie bei Ihrer äußeren Erscheinung besonders?
Ich stelle in dieser Richtung keine Überlegungen an, weil ich Menschen nicht nach ihrem äußeren Erscheinungsbild beurteile.
Werner Buss, Direktor des GOP-Varieté: „Ich
verbinde mit Heiner Rust eine tiefe Liebe den Menschen gegenüber. Er
hat einfach eine besondere Aura, wenn er in der Öffentlichkeit spricht.“
Wann bezeichnen Sie einen Menschen als integer?
Wenn er sich an die gesetzlichen und moralischen Regeln einer zivilisierten Gesellschaft hält.
Reinhard Rawe, Direktor des LandesSportBundes Niedersachsen: „Er
ist der einzige BSN-Präsident, den ich in seiner 22-jährigen Dienstzeit
kennen gelernt habe. Er überzeugte auch mich davon, wie wichtig es ist,
dass Behinderte in der Gesellschaft integriert werden. Sport trägt
seinen Teil dazu bei.“
Welches Verhalten diskreditiert einen Mitarbeiter?
Vertrauensbruch.
Was im Sport unweigerlich zur Niederlage führt, hatte auch im
ehrenamtlichen Leben von Heiner Rust keinen Platz. So sagte der
Präsident des Deutschen Behindertensportverbands, Theodor Zühlsdorf,
über ihn: „Ich habe 15 Jahre lang mit Heiner Rust zusammengearbeitet.
Uns verbindet eine ausgesprochen große Freundschaft. Bewundert habe ich
immer seine Gradlinigkeit, seine Aktivität und sein großes Wissen um die
Probleme des Behindertensports. Ich war angetan von seiner
Unterstützung des Behinderten-Leistungssports und beeindruckt von seinem
Einsatz für Jugendliche in Präsidium und Vorstand.“
Heiner Rust ist sich in seiner Tätigkeit als BSN-Präsident selber
treu geblieben, wenn er auf die Frage ‚Was fällt Ihnen zum Stichwort
„Menschenführung“ ein?’ antwortet:
Vorleben und Überzeugen statt Anordnen, Vertrauen durch
Delegieren, Beteiligung an Entscheidungsprozessen, Verantwortung
übernehmen und übertragen.
Viele werden ähnlich wie Theodor Zühlsdorf empfinden: „Ich habe
seinen Rücktritt erst nicht wahrhaben wollen, da ich mir bestimmte
Vorhaben ohne ihn nicht vorstellen konnte. Wir waren von Anfang an sehr
freundschaftlich verbunden. Er hat ein verbindliches Wesen. Sehr gut
meisterte er die Koordination der Belange des Landesverbandes zum
Bundesverband. Das hat ihn herausgehoben von den anderen Präsidenten.
Welches Buch der letzten Jahre hat Sie am meisten beeindruckt?
„Die Säulen der Erde“ von Ken Follet und „Geschichte eines Deutschen“ von Sebastian Haffner.
Auch das Leben von Heiner Rust ist die Geschichte eines
Deutschen. „Ich bin nicht bereit, Abschied zu nehmen“, sagte Zühlsdorf
zum Schluss, „deshalb bin ich froh, dass es eine Farewell-Party ist.
Heiner, Du warst ein echter Freund.“
Bei der „Farewell-Party“ für Heiner Rust am 13. Oktober 2005
wirkten auch Rollstuhl-Kids der RSG Langenhagen - die ihm „immer ein
Herzensanliegen“ waren, wie er dankend zum Ausdruck brachte – mit ihrer
Übunsgleiterin Katrin Rieger mit. Das Duo BelAmi begleitete musikalisch
und Rob Alton sorgte als Show-Act und Geschenk des GOP-Varietés für das
letzte Highlight der Party.
Was wäre die Alternative zu Ihrer jetzigen Tätigkeit?
Mein jetziger Ruhestand ist alternativlos.
Durch den Abschiedsabend führten die Moderatoren Werner Buss
und Andreas Kuhnt, der Heiner Rust schon als Kind bewunderte: „Er hatte
Dalmatiner, eine junge Frau und spielte sehr gut Sitzball.“
Wie entspannen Sie sich?
Beim Lesen, Vorlesen (fünf Enkelkinder!), bei Konzerten und auf Reisen.
Nun hat Heiner Rust Zeit zum Entspannen. Aktiv bleibt er aber
sicher weiterhin, denn für ihn gilt, was Nachfolger Karl Finke in seiner
Begrüßungsansprache formulierte: „Im Kern unseres Wesens sind wir alle
Sportler.“
Wir danken Dir, lieber Heiner Rust, für Deine Zeit als Präsident des BSN und verabschieden Dich mit stehendem Applaus!